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Eine Nomination, «die man im ersten Augenblick nicht erwarten würde»: Was es mit dem FDP-«Perspektivkandidaten» Oskar Seger auf sich hat

Eine Nomination, «die man im ersten Augenblick nicht erwarten würde»: Was es mit dem FDP-«Perspektivkandidaten» Oskar Seger auf sich hat

Der Freisinn wählt für die Ständeratswahlen dieselbe Taktik wie die SP und die Grünen. Aus den Absichten hinter Segers Kandidatur macht die FDP keinen Hehl.

In der Fussballberichterstattung gibt es den Begriff «Perspektivspieler». Ein solcher ist jung und talentiert, noch dazu lernfähig, damit er irgendwann vielleicht zu den sogenannten Stammspielern zählt. Zu denen, die etabliert sind. Ein Äquivalent zum Perspektivspieler gab es in der Politberichterstattung bis anhin nicht. Bis zum Donnerstagmorgen, als die St.Galler FDP verkündete, mit dem «Perspektivkandidaten» Oskar Seger in den Ständeratswahlkampf zu gehen.

In der Medienmitteilung lieferten die Freisinnigen ihre Definition des Wortes gleich mit: Eine «engagierte und politisch aktive Person» sei das, die «auf einer der fünf Nationalratslisten der FDP steht», eine Person auch, von der die Partei überzeugt sei, dass sie «in absehbarer Zeit ihren politischen Weg noch gehen» werde.

All das bringt der 33-jährige Seger offenbar mit. Die Parteileitung der kantonalen FDP einigte sich geschlossen auf den Familienvater und Firmenteilhaber, der als Bauingenieur beim Bau der Stadtautobahn involviert ist. Auf politischer Ebene war Seger bis 2021 im Stadtparlament tätig, ehe er in den Kantonsrat wechselte. Er präsidiert ausserdem die Stadtsanktgaller FDP.

Dasselbe Vorgehen wie die Linksparteien

Seine Kandidatur gründet auch darauf, dass die «bekannten Exponenten», «namentlich die beiden Nationalräte Marcel Dobler und Susanne Vincenz-Stauffacher sowie die beiden Regierungsräte Marc Mächler und Beat Tinner zurzeit nicht für eine Kandidatur zu Verfügung stehen». Die Stammkräfte wollen oder können nicht. Es bleibt also der Perspektivkandidat, der den Bisherigen Esther Friedli (SVP) und Benedikt Würth (Die Mitte) aller Voraussicht nach noch nicht im Herbst, aber irgendwann vielleicht gefährlich wird.

Die FDP setzt damit auf dieselbe Taktik wie die Grünen und die SP, die beide auch Perspektivkandidaten nominiert haben. Wobei es dieses Wort noch nicht gab, als die SP im Mai Arber Bullakaj ins Rennen schickte und die Grünen vor eineinhalb Wochen Meret Grob. Bullakaj ist das Gesicht der Aktion Vierviertel, die sich für eine niederschwellige Einbürgerung einsetzt, Grob politisiert im Wiler Stadtparlament.

Anders als die Grünen will die FDP nicht konkret Friedli (oder Würth) angreifen. Seger sagt, es gehe darum, «dem Stimmvolk eine liberale Alternative zu bieten». Auch, «um die bürgerlichen Anliegen stärker zu vertreten». Er erklärt das an der Medienkonferenz am Donnerstagmorgen, die unüblicherweise via Teams stattfindet. Per Videocall also sind Seger, Nationalrätin Vincenz-Stauffacher und Kampagnenleiter Sven Bradke zugeschaltet. Wobei Bradke versichert, dass man sich auf der FDP-Geschäftsstelle befinde und nicht irgendwo in den Ferien.

Auch er macht keinen Hehl aus den Absichten dieser Nomination. Der Ständeratswahlkampf werde medial besser abgedeckt als der Nationalratswahlkampf mit seinen vielen Kandidaturen. Zudem räumt Bradke ein, «dass man im ersten Augenblick vielleicht nicht erwarten würde, dass Oskar Seger unser Ständeratskandidat ist». Aber: «Im zweiten Augenblick sieht man, was er schon geleistet hat, wie er in ganz jungen Jahren politisch und wirtschaftlich aktiv war.»

Tipps von Vincenz-Stauffacher

Für Vincenz-Stauffacher ist Seger «jemand, der die freisinnigen Werte verkörpert wie kaum ein anderer». Sie attestiert ihm auch Authentizität und Verlässlichkeit, weshalb sie ihn «aus vollem Herzen unterstützen» werde. Ein Versprechen, das Vincenz-Stauffacher noch während der Medienkonferenz einlöst, indem sie Seger Ratschläge mit auf den Weg gibt: Man müsse «Vollgas geben und jede Chance wahrnehmen, sich zu präsentieren», und dies «mit Ecken und Kanten». Sie muss es wissen. Im Frühling kämpfte sie vergeblich um den Ständeratssitz, der durch Paul Rechsteiners (SP) Rücktritt frei geworden war.

Die Nomination Segers gilt vorbehaltlich der FDP-Delegiertenversammlung am 17. August. Sie dürfte reine Formsache sein. Bis zum 21. August können Kandidatinnen und Kandidaten zur Ständeratswahl am 22. Oktober gemeldet werden. Sicher ist, dass auch die Grünliberalen antreten werden. Ramon Waser, welcher der St.Galler GLP vorsteht, bestätigte das Vorhaben im Juni. Kommt ein weiterer Perspektivkandidat?

Beitrag aus "Tagblatt"

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