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Würth, Friedli und die Konkurrenz: Wer es in der St.Galler Ständeratswahl am ehesten aufs Podest schafft

Würth, Friedli und die Konkurrenz: Wer es in der St.Galler Ständeratswahl am ehesten aufs Podest schafft

Sechs neue Kandidatinnen und Kandidaten wollen für St.Gallen in den Ständerat. Politologe Patrick Emmenegger schätzt ihre Chancen ein und erklärt die Hintergründe.

Jetzt setzen sie zum Schlussspurt an: Sechs Kandidatinnen und Kandidaten fordern in der St.Galler Ständeratswahl die Bisherigen Benedikt Würth (Mitte) und Esther Friedli (SVP) heraus. Die etablierten Parteien treten mit Arber Bullakaj (SP), Meret Grob (Grüne), Andrin Monstein (GLP) und Oskar Seger (FDP) an, ausserdem kandidieren Patrick Jetzer (Aufrecht) und Stefan Hubschmid (Parteifrei). Alle sechs wollen zugleich auch in den Nationalrat.

Wie könnte die Wahl ausgehen? Patrick Emmenegger, HSG-Professor für Politikwissenschaft, sagt, es werde für die Neuen sehr schwer, Würth und Friedli zu überholen. «Ständerätinnen und Ständeräte werden kaum je abgewählt. Ausser, sie haben sich einen groben Fehler geleistet.» In St.Gallen sei die Ausgangslage zudem eine andere als bei der Ständerats-Ersatzwahl im Frühling. SP, Grüne, FDP und SVP hätten damals ihr bestes Personal ins Rennen geschickt. «Alle vier Parteien haben mit Kandidatinnen der ersten Garde um den freien Sitz gekämpft.» Das sei jetzt nicht mehr der Fall.

Ein knappes Rennen um Platz 3

«Es ist denkbar, dass Benedikt Würth die Wiederwahl bereits im ersten Wahlgang schafft, weil er wohl über das eigene Lager hinaus viele Stimmen holt», sagt Emmenegger. Bei Friedli sei ein Erfolg im ersten Anlauf unwahrscheinlich. Sie sei erst wenige Monate im Amt und ihre Partei, die SVP, habe zwar den grössten Wähleranteil, polarisiere aber auch stark. Die Vielzahl an Kandidierenden führe zudem zu einer Aufsplitterung der Stimmen. Das alles deute auf einen zweiten Wahlgang hin.

Wer von den neuen Kandidatinnen und Kandidaten belegt im ersten Wahlgang am 22. Oktober am ehesten den dritten Platz? «Vermutlich Oskar Seger oder Arber Bullakaj», so Emmenegger. Die Resultate des Freisinnigen und des Sozialdemokraten kämen wohl nah beieinander zu liegen. Seger sei tendenziell im Vorteil, weil die FDP mit ihrem Wähleranteil eine etwas grössere Hausmacht habe als die SP.

Dafür ist Bullakaj im Gegensatz zu Seger bereits auf der nationalen Politbühne in Erscheinung getreten – als Kopf der Demokratie-Initiative, die weniger Hürden bei der Einbürgerung fordert.

Leute wollen Antworten zu Teuerung, Klima, Energie

Bullakaj sagt denn auch, er werde im Wahlkampf oft auf sein Engagement für Bürgerrechte angesprochen. Ein zweites häufiges Thema seien die steigenden Kosten, etwa bei Mieten und Krankenkassenprämien. Letzteres stellt auch Seger fest: «Die teure Schweiz», sie beschäftige die Leute stark, ebenso die Versorgungssicherheit. Bei Meret Grob drehen sich die Gespräche oft um Klimaschutz und Energiewende: Gerade die grosse Klimademo letzte Woche in Bern habe gezeigt, wie dringlich das Thema weiterhin sei, auch in den Augen der Bevölkerung. Andrin Monstein wird ebenfalls häufig auf Klima und Energieversorgung angesprochen, parallel dazu gebe es aber weitere Brennpunkte, nach der Bekanntgabe des Prämienanstiegs sei die Teuerung als Gesprächsgegenstand stark ins Zentrum gerückt.

Was machen die vier, falls es zu einem zweiten Ständeratswahlgang kommt? Wer tritt möglicherweise nochmals an? «Das ist noch völlig offen», sagen sie unisono.

Vor der Ersatzwahl im Frühling hatten SP und Grüne schon früh vereinbart, im zweiten Wahlgang jene Kandidatin zu unterstützen, die im ersten Wahlgang mehr Stimmen machen würde. So kam es dann auch, Franziska Ryser (Grüne) holte knapp weniger Stimmen als Barbara Gysi (SP) und zog sich zurück. Für die bevorstehende Ständeratswahl gibt es bislang keine solche Absprache auf linksgrüner Seite - sie könnte aber noch kommen, meint Politologe Patrick Emmenegger.

«Es geht darum, an Prominenz zu gewinnen»

Auch wenn die Chance gering ist, dass demnächst jemand Friedli oder Würth aus dem Ständerat verdrängt: Für die neuen Kandidierenden geht es nicht um nichts. Sie sind Zugpferde im Nationalratswahlkampf. Das gilt insbesondere für Andrin Monstein, denn die GLP muss ihren Sitz ohne Bisherigenbonus verteidigen. Bei der SP hat Arber Bullakaj vor vier Jahren den ersten Ersatzplatz erreicht. «Sein Ziel wird sein, diese Position mindestens zu verteidigen», sagt Emmenegger. So könne er bei einem allfälligen vorzeitigen Rücktritt während der Legislatur nachrücken.

Oskar Seger wurde von der FDP ganz offenherzig als «Perspektivkandidat» präsentiert. Sprich: Als einer, der noch nicht zur Topliga gehört, aber bald dorthin aufrücken könnte. Im Sport gibt es diesen Begriff schon länger, nun haben ihn die Freisinnigen in die Politik importiert. Emmenegger bestätigt: «Wenn man sich für höhere Ämter empfehlen will – nicht nur im Bundesparlament, sondern vielleicht auch in einer Kantonsregierung –, dann ist eine Ständeratskandidatur sinnvoll.» Es gehe für die neuen Kandidaten darum, sich zu beweisen, an Prominenz zu gewinnen.

Grosse Unterschiede beim Budget

Dass man im Ständeratswahlkampf automatisch sichtbarer wird, dafür sorgen schon die nackten Zahlen: Für den Nationalrat kandidieren im Kanton St.Gallen 311 Personen, das sind 22 Prozent mehr als noch 2019. Da sind die acht Bewerbungen für den Ständerat deutlich überschaubarer für die Wählerinnen und Wähler. Die Parteien machen sich das zunutze, rücken die Ständeratskandidierenden bewusst in den Fokus und investieren dafür auch einen guten Teil des Wahlkampfbudgets.

Die finanziellen Unterschiede sind allerdings gross, wie eine Umfrage unserer Zeitung im September zeigte: Die beiden Bisherigen, Würth und Friedli, gingen mit je 100’000 Franken ins Rennen, bei der Konkurrenz sind die Beträge nicht einmal halb so gross.

Beitrag aus Tagblatt

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