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«Der Politik sind leider die Hände gebunden»: So reagieren St.Galler Parteien auf die neusten Querelen um die Spitex St.Gallen AG

«Der Politik sind leider die Hände gebunden»: So reagieren St.Galler Parteien auf die neusten Querelen um die Spitex St.Gallen AG

Schon wieder kündigen viele Mitarbeitende der Spitex St.Gallen AG. Es scheint, als komme die Spitex nicht zur Ruhe. Eine Umfrage unter den städtischen Parteipräsidentinnen und -präsidenten zeigt: Die Meinungen über die Vorgänge sind geteilt. Während die einen finden, man solle die Spitex in Ruhe arbeiten lassen, fordern andere ein Eingreifen.

Es rumort wieder in der Spitex. So die Aussagen ehemaliger Mitarbeitenden, die sich vergangene Woche ans «Tagblatt» wandten. Sie berichteten von Missständen, Pflegefehlern und Schikanen seitens ihrer Arbeitgeberin. Die Leitung der Spitex St.Gallen AG antwortete, sie könne die Vorwürfe nicht bestätigen.

Schon vor zwei Jahren war die damals neu gegründete Einheitsspitex in die Schlagzeilen geraten. Die Stadt musste letzten Sommer die Spitex St.Gallen AG mit einem Rettungspaket von drei Millionen Franken vor dem Ruin bewahren. Damals war die Aufregung im Stadtparlament gross. Wie reagiert die Politik jetzt, angesichts der neuen Vorwürfe? Nachgefragt bei den Präsidien der städtischen Parteien.

SP: «Der Politik sind leider die Hände gebunden»

«Aus unserer Sicht ist es sehr bedauerlich, dass in der Spitex St.Gallen noch immer keine Ruhe eingekehrt ist», so die SP-Co-Präsidentin Jenny Heeb. Der Politik seien leider die Hände gebunden, da die Spitex privatrechtlich organisiert sei und für den operativen Betrieb die Spitex St.Gallen AG zuständig sei. Das wurde von der Mehrheit des Parlaments so beschlossen. Die Stadt als Mehrheitsaktionärin müsste aber ein grosses Interesse daran haben, dass die Spitex St.Gallen AG ihren öffentlichen Auftrag gut erfüllen könne. «Unverständlich ist deshalb, dass die zuständige Stadträtin keine Bereitschaft zeigt, vermittelnd einzugreifen.» Die Arbeitskonflikte scheinen in der Spitex St.Gallen AG mittlerweile System zu haben. Da brauche es von der Stadt zusammen mit der Leitung der Spitex Schritte aufs Personal zu, um gemeinsam Lösungen zu finden. Die Massnahmen, die das Stadtparlament beschlossen habe, könnten ihre Wirkung erst langsam entfalten. Die Eignerstrategie und der Sitz im Verwaltungsrat wurden bereits umgesetzt. Die Berichterstattung an die Geschäftsprüfungskommission (GPK) erfolge in einem grösseren Zeitrahmen. Das befreie die Stadt beziehungsweise die zuständige Stadträtin Sonja Lüthi nicht davor, wo nötig weitere Massnahmen zu treffen.

Die Mitte: «Zuständige Stadträtin muss Verantwortung übernehmen»

Aufgrund des nicht vorhandenen Wissens um die genaue Situation sei es schwierig, sich ein korrektes Bild zu machen, so Ivo Liechti, Präsident der städtischen Mitte. Dass mit der Gewährung des Notkredites nicht auf einmal alle Probleme beseitigt würden, sei dem Parlament klar gewesen. Doch die Spitex müsse langsam performen; der Verwaltungsrat müsse die richtigen Massnahmen treffen. Die Aussagen über die Kommunikationskultur in der Spitex liessen staunen: «Die Aussagen, die in der Zeitung zu lesen waren, sind nicht gerade vertrauenserweckend und zeugen von einer schwierigen Führungssituation.» Gerade in der heutigen Situation mit dem Fachkräftemangel sei es aber wichtig, dem wichtigsten Gut, dem Personal, Sorge zu tragen. Dazu brauche es eine Kommunikation auf Augenhöhe. Die Mitte war schon in der Parlamentsdebatte der Ansicht, dass die Stadt und damit die zuständige Stadträtin stärker Verantwortung übernehmen müsse. Dies sei nun wichtiger denn je. Denn anders als die zuständige Stadträtin sei Die Mitte mit dem Vorgehen in der Spitex bei weitem nicht zufrieden.

Grüne: «Wir hoffen, dass sich die Probleme nicht wiederholen»

«Wir bedauern sehr, dass die Fluktuation und die Unzufriedenheit unter den Mitarbeitenden in der Spitex AG weiter anhalten», so Christian Huber, Präsident der städtischen Grünen. Das Wohl der Pflegebedürftigen und jenes der Angestellten sei zentral. Dazu brauche es zwischen Pflegenden und der operativen Leitung eine funktionierende Zusammenarbeit, gegenseitige Wertschätzung und Transparenz. Das Parlament habe im vergangenen Sommer mit dem Rettungspaket verschiedene politische Massnahmen aufgegleist, um die Situation der Spitex AG zu verbessern und den Einfluss der Stadt zu erhöhen. Der Direktion Soziales und Sicherheit sei es daraufhin gelungen, die operative Leitung neu zu besetzen. Zudem sei die vom Parlament geforderte Delegation der Stadt im Verwaltungsrat der Spitex AG mit etwas Verspätung in Erarbeitung. «Wir sind der Meinung, dass wir als Milizparlament nach intensiven Diskussionen und Debatten unser Möglichstes getan haben, um die Spitex AG zu einem funktionierenden Pflegebetrieb zu machen.» Der Zeitpunkt, an dem nun erneut Missstände der vergangenen Monate an die Öffentlichkeit gelangen, erscheine etwas unglücklich, so Christian Huber. Seit dem 1. Februar sei eine neue HR-Leiterin im Amt, seit Anfang März ein neuer Geschäftsführer. Man hoffe, dass diese beiden Personen die herausfordernde Situation zusammen mit den Mitarbeitenden und Stadträtin Sonja Lüthi angehen könnten und sich die Probleme aus den vergangenen Jahren nicht wiederholen. «Dass das Parlament nochmals in den operativen Bereich eingreift, halten wir für wenig zielführend.»

FDP: «Die vorliegende Kritik ist sehr einseitig geprägt»

Die Spitex solle als eigene Firma ihre personellen Herausforderungen lösen und ihrem Auftrag nachkommen, so Oskar Seger, Präsident der städtischen FDP. Die vorliegende Kritik sei sehr einseitig geprägt: «Es gibt immer zwei Sichten auf einen Sachverhalt.» Diverse Kreise versuchten seit Einführung der Einheits-Spitex, diese zu schwächen und zum Scheitern zu bringen. «Dies ist absolut unwürdig.» Mit diesem Hintergrund sei eine objektive Analyse der nun vorliegenden Fälle schwierig. Sollte es tatsächlich Missstände geben, seien diese durch die Spitex zu beheben. Die Massnahmen der Stadt würden fruchten, so Oskar Seger. Die Spitex komme den Forderungen des Stadtparlaments nach und habe nun die Geschäftsleitung komplettiert. Eine abschliessende Aussage, ob die Bedingungen nun erfüllt seien und wirkten, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht machen. Ein Eingreifen der Stadt brauche es nicht. Die Stadt müsse einen guten Austausch mit dem Verwaltungsrat pflegen und diesen Austausch institutionalisieren. «Das oberste Ziel von allen ist eine gute Pflegeleistung für die Patientinnen und Patienten.»

SVP: «Solange Fakten fehlen, können wir keine Stellung nehmen»

«Uns fehlen Fakten», sagt Donat Kuratli, Präsident der städtischen SVP. Solange diese Fakten fehlten, könne man keine Stellung nehmen zum Konflikt um die Spitex St.Gallen AG. Denn auch hier gehe es darum, beide Seiten anzuhören. Und grundsätzlich: Das Stadtparlament habe entschieden, dass die GPK die Ansprechpartnerin in Sachen Spitex sei und informiert werde - «es ist richtig so, dass die GPK sich dem annimmt». Das Parlament dürfe sich nicht ins operative Geschäft der Spitex einmischen, denn diese ist als AG organisiert. Solange also die Direktion Soziales und Sicherheit keine Vorlage bringe, könne das Parlament nichts unternehmen.

GLP: «Lassen wir die Spitex in Ruhe ihre Arbeit machen»

«Wir sind nach wie vor überzeugt davon, dass die Fusion der vier Spitex-Vereine zu einer Spitex St.Gallen AG der richtige Schritt gewesen ist», so Magdalena Fässler, Präsidentin der städtischen GLP. Konkrete Kenntnisse über die angeblich neu auftretenden Probleme einzelner Spitex-Mitarbeitenden habe man nicht. Solche müssten vom Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung aufgenommen werden. «Wir vertrauen den zuständigen Stellen, dass sie den Dialog mit den betroffenen Mitarbeitenden suchen.» In jedem Betrieb könnten Probleme auftauchen, die intern gelöst werden müssten. Solche Angelegenheiten sollten nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden. «Lassen wir die Spitex in Ruhe ihre Arbeit machen.» Dies zum Wohl der Mitarbeitenden, welches sich auf das Wohl der Klientinnen und Klienten auswirke. Zudem sei es nicht Aufgabe von Stadträtin Sonja Lüthi, sich in personalrechtliche Angelegenheiten einzumischen. Man verstehe ihren Entscheid, nicht an einem runden Tisch teilgenommen zu haben.

Beitrag aus "Tagblatt"

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