Aktuell

Födlebürger: Vor die Kanone muss ein Politiker mit Humor

Wer wird Ehren-Födlebürger? Bis zum offiziellen Verschuss am Samstagabend vor dem Vadian-Denkmal darf fleissig mitgeraten werden. Der dritte Teil des Rätsels gibt weitere Hinweise: Es wird ein homme politique.

Nach der Eröffnung der St.Galler Fasnacht am frühen Donnerstagmorgen steht der nächste grosse Höhepunkt der närrischen Tage am Samstag, 20 Uhr, beim Vadian-Denkmal auf dem Programm. Die Gilde der Ehren-Födlebürgerinnen (Föbinen) und Ehren-Födlebürger (Föbüs) stellt dann ihr neustes Mitglied vor die Konfettikanone. Nachdem im Vorjahr gleichzeitig Olma-Direktorin Christine Bolt und Pfarrerin Kathrin Bolt zu Fasnachtsehren gekommen sind, steht heuer im Zielhang des 48. Föbü-Verschusses wieder ein Mann. So viel ist klar. Wer er ist, bleibt bis Samstagabend geheim. Das soll traditionellerweise die Spekulationen anheizen.

Regierungsmitglieder haben zu wenig zu lachen

Eine Spur zum neuen Föbü hat wie üblich Föbine Mélanie XII. Knüsel-Rietmann mit einem Verwirrtext gelegt. Dieser und Hinweise aus normalerweise gut unterrichteten Fasnachtskreisen deuten darauf hin, dass der neue Föbü einer ist, der einer seltenen Spezies angehört: Es handle sich um einen Politiker mit Humor. Mitglieder von Stadt- und Kantonsregierung scheiden damit wohl aus.

Sie haben in der heutigen Zeit kaum etwas zu lachen. Die einen hatten Anfang Woche gerade wenig Erfolg bei der Gehorsamsdressur der Mehrheit des Kantonsrats. Die anderen sind regelmässig mit widerborstigen Untertanen konfrontiert, etwa mit solchen, die um jeden Preis Spiel- und andere Wiesen grün behalten wollen.

Einer unserer Politiker hat im vergangenen Jahr tatsächlich einen feinen Sinn für Humor (und politische Taktik) bewiesen: SP-Ständerat Paul Rechsteiner trat nicht einfach still und leise auf Ende der Amtsdauer 2019 bis 2023 zurück. Er bescherte uns mit dem Abgang auf Ende 2022 eine zusätzliche, nur mit Kandidatinnen bestückte und äusserst spannende Ersatzwahl schon diesen Frühling.

Als wenn der St.Galler Wahlmarathon mit seiner sehr dichten Folge von nationalen, kantonalen und kommunalen Wahlen von Herbst 2023 bis Herbst 2024 nicht schon genug wäre. Die Krönung vor dem ersten Gang der Ständeratsersatzwahl am 12. März wäre natürlich am Samstag ein Föbü-Titel für Paul «den Schnauz» Rechsteiner…

Unternehmerischer Seebub mit Hang zum Chaos

«Ich bin ein Seebub», zitiert allerdings Mélanie XII. Knüsel-Rietmann den 48. Föbü in ihrem Verwirrtext. Womit schon klar ist: Den in St.Gallen aufgewachsenen Alt-SP-Ständerat dürften wir am Samstag nicht vor der Konfettikanone erwarten. «Gmögig» sei er und etwas «chaotisch, aber kein Messi», beschreibt Mélanie XII. den neuen Ehren-Födlebürger weiter. Und er führe ein Unternehmen, mit dem alle Städterinnen und Städter direkt oder indirekt zu tun hätten.

Ob einer «gmögig» ist oder einem schenkelklopfend auf die Nerven geht, ist Ansichtssache und damit kaum ein objektives Kriterium zur Lösung des diesjährigen Föbü-Rätsels. Politisierende Unternehmer aus der Stadt gibt’s hingegen doch einige. Medial dank der städtischen Baumschutzabstimmung gerade sehr präsent ist Christoph Solenthaler, seines Zeichen Recyclingunternehmer sowie ehemaliger freisinniger Kantonsrat und Stadtparlamentarier.

Ebenfalls viel Publizität hatte im vergangenen Jahr FDP-Kantonsrat Oskar Seger: Zum einen jonglierte er als Ingenieur beim Olma-Deckel über die Stadtautobahn nächtelang mit tonnenschweren Betonelementen, zum anderen hatte er regelmässig laute verkehrspolitische Auftritte in den lokalen Medien.

Er hat noch nicht für den Stadtrat kandidiert

Ein politisierender und erst noch unternehmerisch tätiger Seebub fällt einem nicht so spontan ein. Der Bergler, Bauer und Wirt Toni Brunner jedenfalls ist es ganz, ganz sicher wieder nicht. Der 2022 aus dem Stadtparlament zurückgetretene SP-Fraktionspräsident Daniel Kehl hätte persönliche Beziehungen an den See nach Rorschach, Unternehmer ist er aber auch keiner und mit der Fasnacht hat noch weniger am Hut.

Apropos Fasnächtler: Bekennender Obergugger, Stadtparlamentarier und gleichzeitig Kantonsrat sowie neuerdings Kämpfer für die grüne Spielwiese im Boppartshof ist Donat Kuratli. Die Fasnachtsehrung für ihn ist trotzdem wenig wahrscheinlich. Ihm fehlt das wichtigeste Attribut eines jeden SVP-Aspiranten für den Föbü-Titel: Er hat noch nicht für den St.Galler Stadtrat kandidiert. Er wird dies sicher im Herbst 2024 nachholen, womit wir uns über ihn in zwei Jahren wieder unterhalten können.

Beitrag aus "Tagblatt"

Jetzt teilen:

Weitere Beiträge