Aktuell

«Wir sind konsterniert»: Warum es mit den Plänen für eine Überbauung der Ruckhalde kaum vorwärtsgeht

«Wir sind konsterniert»: Warum es mit den Plänen für eine Überbauung der Ruckhalde kaum vorwärtsgeht

Bis zu 400 Wohnungen könnten auf dem Hang entstehen. Doch seit das «Gaiserbähnli» 2018 von der Ruckhalde in den Tunnel verlegt wurde, ist nicht mehr viel passiert. Zu tun gibt es jedoch noch einiges.

Es ist eine der interessantesten Arealentwicklungen der ganzen Stadt. Auf der Ruckhalde liegt viel Potenzial brach, da sind sich alle einig. Freigesetzt wurde es durch die Appenzeller Bahnen (AB), die 2018 ihre Durchmesserlinie eröffneten und gleichzeitig den Ruckhalde-Tunnel in Betrieb nahmen. Die Bahn fährt seither nicht mehr in der engsten Zahnradkurve der Welt über den Hang, sondern durch den 725 Meter langen Tunnel darunter.

Durch die Aufhebung der Eisenbahnstrecke wurde Platz frei auf der Ruckhalde, auch für Ideen. Und an denen mangelt es bis heute nicht. Denn das etwa fünf Fussballfelder grosse Bauland ist attraktiv. Besonders, weil es eine der letzten grossen Flächen ist, die nahe an der Innenstadt gelegen und gleichzeitig fürs Wohnen geeignet ist. Gleich zwei Interessensgemeinschaften bildeten sich 2019 beziehungsweise 2020, nachdem erste Diskussionen um eine Überbauung Form annahmen: Die IG Ruckhalde und die IG Zukunft Ruckhalde. Sie beide verfolgen unterschiedliche Ziele.

Die IG Ruckhalde versteht sich als Stimme der Zivilgesellschaft. Diese fehle in planerischen Prozessen dieser Art oft oder werde erst spät einbezogen. Das wolle man ändern. Ihr Ziel: Die Ruckhalde soll zu einem Experimentierfeld werden, soll Raum schaffen für alternative Wohnformen und bezahlbaren Wohnraum.

Andererseits ist da die IG Zukunft Ruckhalde. Sie ist aus bürgerlichen Kreisen entstanden, FDP-Stadtpartei-Präsident Oskar Seger präsidiert sie. Ihr Kernanliegen: Die Stadt soll die Überbauung ohne Tabus angehen, einen Gesamtleistungswettbewerb ausschreiben und nicht von vornherein Wohnbaugenossenschaften bevorzugen.

«Nicht erste Priorität»

Die wichtigste Akteurin, wenn es um das Planen der Überbauung auf der Ruckhalde geht, ist und bleibt allerdings die Stadt St.Gallen. In ihrem Besitz befindet sich der Grossteil der insgesamt 53’400 Quadratmeter Land – geschätzt über 45’000 davon. Und sie hat den Lead bei der Planung. Wo steht das Grossprojekt also? Was ist passiert, seit die Appenzeller Bahnen in den Untergrund verschwunden und Diskussionen um die zukünftige Nutzung an die Oberfläche getrieben sind?

Baudirektor Markus Buschor schreibt auf Anfrage: «Aufgrund von zahlreichen privaten oder öffentlichen Entwicklungsprojekten im Wohnungsbau in der Stadt sowie dem Einsatz der personellen Ressourcen der Stadtplanung in anderen Entwicklungsgebieten wird das Areal Ruckhalde zurzeit nicht in erster Priorität behandelt.» Entsprechend ist seit der Ankündigung im Sommer 2021, wonach bis Ende 2022 eine Machbarkeitsstudie vorliegen soll, auch noch nicht viel geschehen.

Die anderen Projekte, die aktuell Vorrang haben, listet Buschor wie folgt auf: Das Areal Asgo (SG-West–Gossau Ost), die Zusammenlegung der Bahnhöfe Bruggen und Haggen, das Areal Lerchenfeld / Waldacker sowie das Güterbahnhofareal, die Steinachstrasse und das Areal rund um den Bahnhof St.Fiden.

«Diese Planungen konnten und können nicht alle zeitlich parallel mit den Arbeiten für die kommunale Richtplanung, den Grundlagenarbeiten für die Revision der Bau- und Zonenordnung und der Begleitung von privaten Entwicklungsprojekten und Sondernutzungsplanungen prioritär bearbeitet werden.»

Was aber bereits geschehen sei: Man habe das Gespräch mit den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke gesucht. Buschor: «Dabei geht es um die Klärung des Entwicklungsperimeters sowie um Fragen der Erschliessung.» Diese Gespräche seien konstruktiv verlaufen, gibt Buschor zu Protokoll. «Bisher sind aber keine Verfahrensschritte abgeschlossen.»
Das sind die nächsten Schritte

Als nächster Schritt steht laut Buschor der Abschluss der Verhandlungen mit den involvierten Grundeigentümern im Vordergrund. Anschliessend werde der Stadtrat einen Kredit für die Ermittlung der Rahmenbedingungen und die Durchführung einer Machbarkeits- und Potenzialstudie beraten. Vorgängig zur Durchführung der Studie seien aber noch verschiedene Rahmenbedingungen vertieft abzuklären.

So erwarte man Aussagen zur Überbaubarkeit des Tunnels der Appenzeller Bahnen, wolle in Bezug auf die Bachoffenlegung den Raumbedarf und die Renaturierung der vier Ruhsitzbäche sowie die Zugänglichkeit zum Gewässer prüfen. Ausserdem stünden die Aufnahme und Bewertung von Baumhecken und Gehölzgrupen und Vernetzungsachsen an sowie Baugrunduntersuchungen und geologische Gutachten. Überdies sind Abklärungen zur Verkehrsführung und zur Erschliessung geplant – gerade mit Blick auf ein mögliches autoarmes Wohnen. Und schliesslich spielt auch das Stadtklima eine Rolle.

«Diese Abklärungen werden voraussichtlich 2024 an die Hand genommen», schreibt Buschor.

Danach beginnt erst der grösste Teil der Herausforderung. Nämlich die Erarbeitung eines Projekts, das alle Involvierten zufriedenstellt. Buschor: «Die Stadt erhebt den eigenen Anspruch, eine nachhaltige, zukunftsorientierte und innovative Siedlung zu entwickeln.» Zusätzlich zu den sich daraus vielfältig ergebenden inhaltlichen Herausforderungen werde auch der Planungsprozess mit einem Einbezug unterschiedlicher Interessengruppen und Bauträgerschaften anspruchsvoll sein.

Den IG geht’s nicht schnell genug

Nachfrage bei den beiden Interessensgemeinschaften, die sich rund um die Entwicklung der Ruckhalde gebildet haben. Peter Olibet, SP-Stadtparlamentarier und Mitglied der IG-Ruckhalde-Kerngruppe, sagt: «Wir sind konsterniert, dass es nicht schneller vorwärtsgeht.» Es sei schade, dass die Stadt die Arealentwicklung nicht eher an die Hand genommen habe. Als IG habe man Impulse für eine progressive Entwicklung mit einem partizipativen Ansatz und unter Einbezug der gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften setzen wollen. «Und zwar von Anfang an, ohne zuerst eine grosse Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben.»

Leider sei man von der Stadt nicht gehört worden. Das Interesse an alternativen Wohnformen sei in der Bevölkerung aber gross, betont Olibet. Die IG Ruckhalde erhalte immer wieder entsprechende Anfragen und Rückmeldungen. Weil es auf der Ruckhalde aber nicht vorwärtsgehe, erwäge man nun, das Tätigkeitsfeld auszuweiten. «Wir sind mittendrin in diesem Prozess.»

Auch Oskar Seger, FDP-Kantonsrat und Präsident der IG Zukunft Ruckhalde, sagt auf Anfrage, es gehe im Moment wenig auf der Ruckhalde. Dabei sei es höchste Zeit, dass die Stadt anfange, die noch vorhandenen zentrumsnahen Areale zu entwickeln. «Dies insbesondere auch nach der gescheiterten Gleisüberdeckung in St.Fiden.» Die IG Zukunft Ruckhalde sei offen und bereit, den Prozess mitzugestalten. «Aber die Stadt ist im Lead und sie ist diejenige, die Gas geben muss.» Es müsse das Ziel sein, dass die Stadt noch in diesem Jahr einen Schritt vorwärtskomme.

Beitrag aus "Tagblatt"

Jetzt teilen:

Weitere Beiträge