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Politische Vorstösse auf allen Spuren: Eine breite bürgerliche Allianz gibt ihre Hoffnung auf eine dritte Tunnelröhre durch den Rosenberg in St.Gallen nicht auf

Politische Vorstösse auf allen Spuren: Eine breite bürgerliche Allianz gibt ihre Hoffnung auf eine dritte Tunnelröhre durch den Rosenberg in St.Gallen nicht auf

Nach dem Nein zum Autobahnausbau am 24. November 2024 stehen die Bürgerlichen in der Stadt St.Gallen zusammen und setzen sich für eine dritte Rosenberg-Tunnelröhre auf der St.Galler Stadtautobahn ein. Das Ziel: Bei der aufwendigen Sanierung der bestehenden Tunnelröhren ab 2037 den Verkehrskollaps in der Stadt abwenden. Links-Grün dagegen bringt im Stadtparlament andere Vorschläge.

Rund 72'000 Fahrzeuge fuhren im vergangenen Jahr am Tag durchschnittlich durch den Rosenbergtunnel der Stadtautobahn. Eingeweiht wurde der Tunnel 1987, also vor 38 Jahren. 2037 wird die Kunstbaute 50 Jahre alt. Der knapp 1,5 Kilometer lange Tunnel muss umfassend saniert werden. Das dauert voraussichtlich drei Jahre. Für die Arbeiten müssen die beiden Röhren je 18 Monate lang gesperrt werden.

Während der Sperrungen rechnen die Verkehrsplaner mit täglich 40'000 Fahrzeugen, die dann nicht über die Stadtautobahn, sondern auf der Rorschacher Strasse, der Rosenbergstrasse und auf der Zürcher Strasse von Osten nach Westen und umgekehrt durch die Stadt fahren. Das erzeugt mehr Lärm und Abgase und könnte stellenweise auch gefährlich werden.

Bürgerliche setzen sich deswegen für den Bau der dritten Rosenberg-Tunnelröhre ein. Dies, obschon das Schweizer Stimmvolk das Vorhaben zusammen mit fünf weiteren Autobahnausbauprojekten mit 52,7 Prozent Nein-Stimmen ablehnte. In der Stadt St.Gallen selbst war das Nein bei der nationalen Abstimmung mit rund 55 Prozent gar noch etwas deutlicher.

Stadtrat Markus Buschor (parteilos), Vorsteher der Direktion Planung und Bau, sagte kurz vor Weihnachten 2024 in einem Interview mit dieser Zeitung, nach dem Nein zur dritten Röhre durch den Rosenberg mache ihm die ab 2027 bevorstehende geplante Sanierung Kopfzerbrechen.

Trotz politischer Vorstösse auf nationaler Ebene glaube er nicht, dass ein Sanierungsstollen gebaut werde. «Wir müssen uns auf allen drei Staatsebenen mit der Frage auseinandersetzen: Wie können wir die Tunnels sanieren ohne dritte Röhre?», sagte Markus Buschor. «Wir müssen Lösungen finden, wie der Verkehr um rund 50 Prozent reduziert werden kann. Wir können auch nicht alles mit dem öffentlichen Verkehr auffangen, dafür fehlen Busspuren.» Es gäbe einfache Lösungen, sagte Buschor im Interview. «In jedem Auto sitzen mindestens zwei Personen, oder es könnten unterschiedliche Zeiten für den Arbeitsbeginn in den Firmen in der Stadt definiert werden, oder das Homeoffice wird gefördert. Nur: Ist die Gesellschaft bereit dafür? Ich frage mich», zweifelte Buschor.

SVP-Nationalrat Michael Götte mit Interpellation im Nationalrat

Michael Götte, SVP-Nationalrat und Gemeindepräsident von Tübach, hat auch seine Zweifel. Er reichte in der Wintersession eine Interpellation ein im Nationalrat. Der Titel seines Vorstosses: «Den Grossraum St. Gallen während der Gesamtsanierung des Rosenbergtunnels vor einem Verkehrskollaps bewahren.» Dem nationalen Gesamtresultat gegenüber stünden die Resultate der Ostschweizer Kantone St.Gallen (54,3 Prozent Ja), Thurgau (52,2 Prozent Ja), Appenzell Innerrhoden (58,5 Prozent Ja) und Appenzell Ausserrhoden (54 Prozent Ja), argumentierte Götte.

Diese Zustimmung in der Ostschweiz stehe in einem engen Zusammenhang mit der anstehenden Sanierung des St.Galler Rosenbergtunnels. Ohne die geplante dritte Röhre drohten stundenlange Staus auf der Autobahn zwischen Gossau und Thal. Auf der Strecke bleibe die Erreichbarkeit der Regionen Rorschach, Oberthurgau und Rheintal sowie der angrenzenden Nachbarländer. Die Stadt St.Gallen werde im Ausweichverkehr ersticken, schrieb Götte in seinem Vorstoss. Was dies alles für die Lebensqualität und die Wirtschaftskraft der Ostschweiz bedeute, zeigten die Erfahrungen vor Eröffnung der Stadtautobahn 1987.

Die Antwort des Bundesrats: Mit dem Volksentscheid könne der Ausbauschritt 2023 nicht als Gesamtpaket realisiert werden. In der Folge habe das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) die ETH beauftragt, die Priorisierung der Projektportfolios von Strasse, Schiene und Agglomerationsprogrammen zu untersuchen. Der Bundesrat werde nach Abschluss dieser Arbeiten über das weitere Vorgehen in der Verkehrspolitik entscheiden. Das Papier der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich liegt noch nicht vor.

Kantonsrat sagt Ja zu einer Standesinitiative

Im Juni dieses Jahres sagte der St.Galler Kantonsrat Ja zu einer Standesinitiative. Konkret wird im Begehren verlangt, dass beim Bund in der Stadt St.Gallen das Projekt für eine dritte Rosenberg-Tunnelröhre inklusive Zubringer Güterbahnhof sowie in Schaffhausen die zweite Röhre für den Fäsenstaubtunnel unverändert für den nächsten Ausbauschritt vorgesehen bleiben. Dies forderten die Fraktionen von FDP, Mitte-EVP und SVP und wurden dabei von der St.Galler Regierung unterstützt. Dagegen wehrte sich die SP-Grüne-GLP-Fraktion. Das St.Galler Standesbegehren wurde schliesslich sehr deutlich mit 80 gegen 25 Stimmen überwiesen.

Vor der Junisession des Kantonsrats gab es vor dem Regierungsgebäude in St.Gallen eine Protestkundgebung mit ungefähr 40 Teilnehmenden, organisiert vom Verein gegen den Autobahnanschluss am Güterbahnhof. Auf Schildern stand etwa «Nein ist Nein» oder «Die Stadt sagt Nein».

Auch in vier weiteren Ostschweizer Kantonen sind gleiche oder ähnliche Standesbegehren zum Ausbau der Tunnels der Autobahnen geplant.

IG Engpassbeseitigung wirbelt weiter

Die politische Aktivität der breiten bürgerlichen Allianz für den Ausbau der St.Galler Stadtautobahn wider den Volksentscheid vom November 2024 wird koordiniert von der Interessengemeinschaft (IG) Engpassbeseitigung St.Gallen. Deren Präsident ist der St.Galler Rechtsanwalt und ehemalige FDP-Kantonsrat Walter Locher. Ein aktiver Player auf dem kantonalen politischen Parkett ist FDP-Kantonsrat Oskar Seger. Er sagt, der Stadt St.Gallen drohe ab 2037 ein drei Jahre dauernder Verkehrskollaps.

Eine Kampagne zur Sensibilisierung, während der Tunnelsanierung auf das Autofahren zu verzichten, sei zwar gut gemeint, aber im allerbesten Fall ein Tropfen auf den heissen Stein, sagt Seger und rechnet vor: «Wenn wir die Autofahrten mit Massnahmen, die von Links-Grün vorgeschlagen werden, um sensationelle 50 Prozent reduzieren könnten, gäbe es dennoch 20'000 zusätzliche Fahrten pro Tag durch die Stadt St.Gallen.»

In der IG Engpassbeseitigung engagieren sich das Gewerbe, die Industrie und die Wirtschaft, der Hauseigentümerband (HEV), die Industrie- und Handelskammer (IHK), Automobil- und Lastwagenverbände, der Detailhandel sowie die politischen Parteien FDP, SVP und Die Mitte.

Auf lokaler Ebene gibt es Vorstösse der Gegnerschaft

Im St.Galler Stadtparlament gab es auch Vorstösse nach dem Nein zum Autobahnausbau. Von linker Seite. Die Fraktion der Grünliberalen forderte ein Mobility Pricing anstatt eines Sanierungstunnels, und die Sozialdemokraten regten vergünstigte Billette beim Tarifverbund Ostwind für die Zeit der Sanierung der beiden Rosenberg-Tunnelröhren an. Dem Vorstoss der SP kann der Stadtrat in seiner Antwort Gutes abgewinnen.

Im Abstimmungskampf vor dem 24. November 2024 war die SP ganz klar gegen den Autobahnzubringer Güterbahnhof. Gegen die dritte Röhre durch den Rosenberg äusserten sich SP-Politikerinnen und -Politiker indessen nie oder zumindest nicht dezidiert. Christoph Kobel, Präsident der SP der Stadt St.Gallen und Mitglied des Stadtparlaments, sagt, an der St.Galler Standesinitiative störe ihn die erneute Verknüpfung zwischen dritter Tunnelröhre und Autobahnzubringer Güterbahnhof. Er vermisst auch ein Bekenntnis der St.Galler Stadtregierung gegen den Autobahnzubringer.
Bundesrat Albert Rösti macht den Bürgerlichen Hoffnung

Anfang Juni zeigte sich: Bundesrat Albert Rösti ist vor allem den drei Tunnelprojekten in St.Gallen, Schaffhausen und Basel wohlgesonnen. Bei einem Medienanlass auf dem Gipfel des Moléson im Kanton Freiburg sagte der Schweizer Verkehrsminister, das Volk habe im letzten November Nein gesagt zur Kombination von sechs Projekten. Grund für die Ablehnung sei vor allem der Landverbrauch durch Spurverbreiterungen gewesen.

Hingegen könne er sich vorstellen, die Tunnelvorhaben in St.Gallen, Schaffhausen und Basel erneut zu prüfen, sagte der Verkehrsminister. Sie würden nicht nur Engpässe entschärfen, sondern auch die Stabilität der bestehenden Infrastruktur erhöhen. Rösti verwies dabei auf den Gotthardtunnel: Dort wird eine zweite Autobahnröhre gebaut. Wenn sie eröffnet ist, wird die bestehende Röhre saniert.Diese Aussagen von Bundesrat Rösti kommen beim St.Galler Nationalrat Michael Götte gut an. «Das macht Hoffnung», sagt er, um anzufügen: «Ganz wichtig ist das Gutachten der ETH, das das Uvek in Auftrag gegeben hat.»

Beitrag aus Tagblatt

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