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Daily Business statt richtiger Ziele: Was die Parteien zu den Jahreszielen des St.Galler Stadtrats sagen

Daily Business statt richtiger Ziele: Was die Parteien zu den Jahreszielen des St.Galler Stadtrats sagen

Neues Jahr, neue Ziele. Der St.Galler Stadtrat präsentierte, was er sich für 2022 vorgenommen hat. Doch was hält die Politik davon? Eine Umfrage unter den städtischen Parteipräsidenten zeigt: Es gibt viel Kritik.

Grüne: «Man wird den Eindruck nicht los, dass damit von den politischen Sorgenkindern abgelenkt werden soll»

Grundsätzlich sind wir mit der allgemeinen Stossrichtung der Jahres- und Legislaturziele des Stadtrates zufrieden», sagt Christian Huber, Präsident der Grünen Stadt und Region St.Gallen. Allerdings wären weniger und konkretere Ziele hilfreicher. Der Stadtrat präsentiere in blumigen Sätzen einen Strauss an wenig greifbaren Vorsätzen. «Man wird den Eindruck nicht ganz los, dass damit von den politischen Sorgenkindern abgelenkt werden soll, wie beispielsweise von der aktuellen Situation rund um die Spitex oder der Schulsozialarbeit, oder von der angespannten finanziellen Lage der Stadt.» Nicht zu finden seien Ziele zu dringenden Infrastrukturprojekten. Nichtsdestotrotz unterstütze man den Stadtrat bei der Erreichung von konkreten Zielen, beispielsweise bei der Förderung ökologischer Lösungen beim Heizungsersatz. Ebenso befürworte man die wirtschaftlichen und planerischen Kooperationen mit umliegenden Gemeinden.

SP: «Erfreulich, dass wichtige ökologische und soziale Ziele verfolgt werden»

Aus Sicht der SP sei es erfreulich, dass in den Jahreszielen wichtige ökologische und soziale Themen verfolgt werden, so Jenny Heeb, Co-Präsidentin SP Stadt St.Gallen. Mit Sicht auf die Vision 2030 seien Jahresziele von zentraler Bedeutung für die Lebensqualität in der Stadt: beispielsweise hohe Lebensqualität für alle Gesellschaftsgruppen, Integration, Quartierentwicklung, Begegnungs- und Aufenthaltsräume, Spiel- und Sportanlagen und Wohnraum für die ganze Bevölkerung, individuelle Förderung in Bildung, Sport und Freizeit, ein nachhaltiger Umgang mit den vorhandenen Ressourcen.

Der Stadtrat zeige auf, dass er die Legislaturziele weiterhin verfolge und umsetzen möchte. Heeb sagt: «Als SP messen wir den Stadtrat an der konkreten Umsetzung der Jahres- sowie der Legislaturziele.»

GLP: «Gewichtige Brocken wie die Hallenbad-Sanierung fehlen»

«Die Jahresziele 2022 des Stadtrates hinterlassen gemischte Gefühle», sagt Marcel Baur, Präsident GLP Stadt St.Gallen. Einerseits fehlten gewichtige Brocken wie die Sanierung des Hallenbades Blumenwies, anderseits seien einige kleinere Ziele aufgelistet, die die GLP als Daily Business bezeichnen würde ­– beispielsweise die Migration von Software wie Microsoft Teams, deren Ersatz ausser Frage stehe, da sie vom Hersteller abgekündigt wurde. Oder der weitere Ausbau des Fernwärmenetzes, welches als langjähriges Vorhaben in den Jahreszielen ebenso fehl am Platz wirke. Nebst den wenig ehrgeizigen Zielen begrüsse man die zukunftsgerichteten Arbeiten wie Asgo und Bahnhof Bruggen im Westen der Stadt. Dass der Marktplatz Gestalt annehme, und sich allgemein die Stadt als lebenswerter Arbeits- und Wohnort weiterentwickeln wolle, sei ganz im Sinne der GLP.

Die Mitte: «Geringe Aussagen zur Nachhaltigkeit der Stadtfinanzen»

Es sei erfreulich, dass der Stadtrat in seinen Jahreszielen den Fokus auf die Quartiere lege, so Ivo Liechti, Präsident Die Mitte Stadt St.Gallen. Die erarbeitete Innenentwicklungsstrategie sei aber noch zu wenig ortsbezogen. Man unterstütze das Ziel, Unterrichtsentwicklungskonzepte durch die einzelnen Schuleinheiten erarbeiten zu lassen. Auch das Energiekonzept 2050 weiter zu implementieren und den Ausbau der Wärmeverbunde zu fördern, heisse man gut. «Negativ erstaunt sind wir hingegen ob der geringen Aussagen in den Jahreszielen zur Nachhaltigkeit der Stadtfinanzen.» Die Massnahmen zu Fokus 25 müssten endlich greifen. Hier zeige sich sinnbildlich für die vielen städtischen Konzepte und Strategien, dass es nicht ausreiche, diese zu schreiben. Es brauche im Anschluss auch den Willen, diese umzusetzen.

FDP: «Der Stadtrat will das strukturelle Defizit nicht angehen»

Oskar Seger, Präsident FDP Stadt St.Gallen, kritisiert, gewisse Ziele seien zu wenig greifbar, wie das Ziel bezüglich der Planung Asgo. Der aktuellen Finanzlage und der anhaltenden Stagnation bei der Entwicklung der städtischen Areale werde zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dies stehe in Widerspruch zum Ziel, dass die Stadt St.Gallen das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Zentrum der Ostschweiz bilden solle. Meilensteine für Grossprojekte, wie die Überdeckung St.Fiden, suche man innerhalb der Jahresziele vergebens. Zudem betrachte der Stadtrat den Finanzhaushalt nicht als prekär und verfolge somit auch bei den Jahreszielen lediglich das Leistungsüberprüfungsprogramm Fokus 25 weiter. Das bestehende strukturelle Defizit wolle der Stadtrat nicht angehen. Die Ziele in den Handlungsfelder Kultur und Sport, Bildung, Umwelt unterstütze man grösstenteils.

SVP: «Die Jahresziele sind Schönwetterziele»

«Die Jahresziele des Stadtrates sind Schönwetterziele», sagt Donat Kuratli, Präsident SVP Stadt St.Gallen. Das einzige wichtige Ziel wäre aus Sicht der SVP gewesen, die Stadt finanziell wieder auf eine solide Grundlage zu bringen. Einzig die Leistungsüberprüfung Fokus 25 wolle der Stadtrat weiterverfolgen – dieses Ziel habe jedoch nichts mit Sparen zu tun, es zeuge lediglich von Nichtstun. Dass der Stadtrat eine Sprachkontakterhebung tätige anstatt für die Spitex zu schauen und die Grundversorgung der älteren Generationen zu sichern – auch hier werde ein schwieriges, relevantes Thema nicht ins Zentrum gerückt. Im Sportbereich akquiriere der Stadtrat lieber internationale Anlässe, anstatt für die lokalen Sportvereine ideale Bedingungen zu schaffen. Richtig erscheine der SVP hingegen, dass die Umsetzungsplanung des Gesak erstellt sei.

Erschienen im Tagblatt

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