Aktuell

Bürgerliche Verbände fordern sechs Hubs: So stellen sie sich das Verkehrskonzept für die Stadt St.Gallen der Zukunft vor

Bürgerliche Verbände fordern sechs Hubs: So stellen sie sich das Verkehrskonzept für die Stadt St.Gallen der Zukunft vor

Wirtschaft, Gewerbe, Hauseigentümerverband und der TCS präsentieren eine Studie zur Mobilität in der Stadt im Jahr 2040.

«Wir müssen Mobilität neu begreifen», sagt Christoph Solenthaler, Präsident des St.Galler Hauseigentümerverbands (HEV), gleich zu Beginn der Medienorientierung. «Mobilität 2040» lautet der Titel der Studie, die der HEV zusammen mit der St.Galler TCS-Regionalgruppe, dem städtischen Gewerbeverband, der Wirtschaftsregion (WISG) und dem Raumplanungsbüro EER erarbeitet hat. «Die Studie dient der politischen Diskussion zwischen den Verbänden und dem Stadtrat», steht in der Einladung zur Pressekonferenz.

Es ist ein grosser Wurf, den die Verbände und der Touring Club Schweiz (TCS) am Donnerstagvormittag präsentieren. Und die Studie bietet viel Gesprächsstoff. Das Wirtschaftsgremium wirft nicht nur dem Stadtrat einen neuen Denkansatz vor die Füsse, es will auch die Bevölkerung für die Mobilität der Zukunft gewinnen, Fragen stellen, Ideen aufwerfen, Visionen schmackhaft machen. In St.Gallen sollen sich die Menschen besser, schneller, einfacher und komfortabler fortbewegen können.

Wo soll man anfangen? Es ist ein ganzer Strauss an Ideen, den das Gremium zu Papier gebracht hat: eine Hub-Strategie für eine kombinierte Mobilität. Was heisst das konkret?
Mobilitätshubs als zentrale Punkte

Sechs Mobilitätshubs fordern die bürgerlichen Verbände. Sie sind das Herzstück der Studie. Zentrale Punkte, wo sich Bahn-, Bus-, Auto- und Veloverkehr sowie Fussgängerinnen und Fussgänger treffen, Umsteigepunkte mit Verpflegung- und Einkaufsmöglichkeiten. Hier sollen die Menschen mit dem Auto hinfahren und auf den öffentlichen Verkehr umsteigen – Stichwort Park and Ride.

Dass der Hauptbahnhof ein solcher Hub ist, scheint klar. Neu sollen jedoch in und um die Stadt weitere Hubs entstehen: Das Gremium spricht sich einstimmig für die Zusammenlegung der beiden Bahnhöfe Bruggen und Haggen zu einem neuen Doppelbahnhof «Westbahnhof» mit Anbindung des Innovationsparks Ost aus. Aktuell findet dazu eine Machbarkeitsstudie statt. Weitere Hubs sollen an den Bahnhöfen Lustmühle, St.Fiden, Wittenbach und Winkeln entstehen.

Gerade letzteres Gebiet biete sehr viel Potenzial, sagt Solenthaler: «Hier geht es ab.» Hubs seien Wirtschaftstreiber und Baustein für die Stadtentwicklung.

«Kurz, sie sind ein Saatkorn für eine prosperierende Stadt.»

Oskar Seger, Präsident der TCS-Regionalgruppe St.Gallen und Umgebung fügt hinzu: «Die Leute sollen sich überlegen, welches Verkehrsmittel sie nutzen und wo sie umsteigen.»
Mehr S-Bahnen, weniger VBSG-Busse

Für die Studienautoren hat der Schienenverkehr oberste Priorität. Mehr S-Bahnen, weniger Busse: Das sei die Lösung für die Zukunft. Es brauche effiziente Umsteigemöglichkeiten, sagt Andreas Pfister, Vizepräsident von Wirtschaft Region St.Gallen (WISG). Er fordert eine Gewichtung.

«Auf der Ost-West-Achse muss sich das Busnetz der Bahn unterordnen.»

Denn die meisten VBSG-Busse und Postautos träfen am Hauptbahnhof zusammen. Stau, Wartezeiten und verpasste Anschlüsse seien für alle schlecht, nicht bloss für die Wirtschaft.

«Quartierbusse sollen nicht mehr den Hauptbahnhof anfahren, sondern die Hubs.» Das viel zitierte Tram sei allerdings nicht realistisch.
Vision eines unterirdischen S-Bahn-Halts bei der Olma

Im Rosenberg-Bahntunnel soll eine unterirdische Haltestelle entstehen, von der aus Messebesucherinnen und -besucher mit einem Lift direkt in das Olma-Gelände gelangen.
Strassenverkehr soll fliessen statt stocken

Von Ost nach West bleibt die Autobahn A1 die Hauptverkehrsachse. Sie soll mit einer dritten Tunnelröhre weiter ausgebaut werden. Damit der Auto­verkehr fliesse statt stocke, sei der Bau der Teilspange Güterbahnhof-Liebegg weiterhin ein zentrales Anliegen, sagt Ivo Liechti vom Gewerbe Stadt St.Gallen. Der Tunnel soll die Blechlawine vom Riethüsli direkt zur Autobahn und umgekehrt bringen. HEV-Präsident Solenthaler sagt:

«Der Verkehr aus dem Appenzellerland ist kein Feind.»

Es gehe darum, die Fahrzeuge möglichst gut durch oder unter die Stadt auf die Autobahn zu bringen. In Wohnquartieren sollen hingegen die Geschwindigkeiten reduziert und so Lärm vermieden werden. Bestehende Parkgaragen sind mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge aufzurüsten und die Zahl der ober­irdischen Parkplätze im Zentrum soll reduziert werden.

«Da wir den Verkehr hauptsächlich umlenken wollen, kosten diese Massnahmen auch nicht sehr viel mehr», sagt Solenthaler. St.Gallen leide unter der ungenügenden Erreichbarkeit. Das verhindere den Zuzug von Fachkräften und Steuersubstrat.
Velo- und Fussverkehr punktuell ausbauen

Die Korridore für Veloschnellrouten sollen gestärkt, wo notwendig ausgebaut und Engpässe beseitigt werden. Ein neuralgischer Punkt sei etwa bei der Villa Wiesental, sagt Pfister. «Viele Velofahrer verlieren dort die Geduld.» Sie verlören die Geduld aber nicht nur vor dem roten Lichtsignal, sondern auch wegen ausbleibender Verbesserungen. Die Stadt müsse nicht nur eine Unter-, sondern auch eine Überführung ins Auge fassen.

Mit der Studie wolle man eine Systemumstellung für den gesamten Stadtverkehr, sagt Pfister.

«Da darf es Platz für etwas verrücktere Ideen haben.»

Aber man dürfe keine Zeit verlieren, sagt Pfister. «Viele wollen lieber heute als morgen Verbesserungen sehen.» Zudem sollen in sogenannten Velotürmen Fahrräder automatisch und sicher abgestellt werden können. Andere Städte kennen dieses System bereits. Als Standort in St.Gallen schlägt die Studie die Altstadt vor.

«Jede Person auf dem Velo oder zu Fuss entlastet den ganzen Verkehr», sagt Pfister. Ein solches Votum aus einem bürgerlichen Forum möge überraschen.

«Doch die Zeit, verschiedene Verkehrsträger gege­neinander auszuspielen, ist vorbei.»

Auch das Argument, St.Gallens Topografie verhindere eine Velostadt, sei mit dem E-Bike-Boom nicht mehr stichhaltig.
Anbindung an Cargo Sous Terrain

Das Zukunftsprojekt für den gesamtschweizerischen Warenverkehr, der auf selbstfahrende Transportfahrzeuge unter der Erde verlegt werden soll, müsse auch auf Stadtgebiet angeschlossen werden. Als Punkte, wo die unterirdisch transportierten Güter wieder an die Erdoberfläche kommen, stehen im Fokus: das Gebiet Winkeln, die Innenstadt und der Hauptbahnhof sowie die Industrie an der Martinsbruggstrasse im Osten der Stadt. Initiativen für eine verbesserte Warenlogistik, die lokale Transportunternehmen in der Vergangenheit vorbrachten, sollen integriert werden.
Studie ist an den Stadtrat adressiert

Die Jahrzahl 2040 sei nicht zufällig gewählt, sagt Gewerbler Ivo Liechti. «Wir verfolgen damit den gleichen Zeithorizont wie das städtische Mobilitätskonzept. Die TCS-Mobilitätsstudie ist quasi das Pendant zur Konzept der Stadt.»

Oskar Seger fügt hinzu: «Wir wollen nicht am städtischen Mobilitätskonzept herumnörgeln, sondern anhand der Studienergebnisse unsere eigene Strategie verfolgen.»

Beitrag aus dem "Tagblatt"

Jetzt teilen:

Weitere Beiträge