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FDP-Fraktionschef und Hausarzt Thomas Ammann zieht sich aus der Politik zurück – die Doppelbelastung in Pandemiezeiten sei auf Dauer zu gross

Die Freisinnigen im St.Galler Kantonsparlament bekommen einen neuen Chef: Christian Lippuner führt die Fraktion ab Juli, Thomas Ammann gibt das Amt ab und scheidet auch aus dem Parlament aus.

Er war in den vergangenen Wochen und Monaten ein gefragter Mann – und dies gleich an verschiedenen Fronten: in seiner Hausarztpraxis, aber auch in der Politik. Die Pandemie hat sein Leben und Arbeiten in Beschlag genommen, so sehr, dass Thomas Ammann nun Konsequenzen zieht. Er gibt das Fraktionspräsidium der Freisinnigen ab und zieht sich gleichzeitig aus der kantonalen Politik zurück. Der totale Rückzug aus der Politik? «So scheint es», antwortet Ammann auf die Frage. Wer in den vergangenen Wochen mit ihm über fehlende Impfdosen, kurzfristige Lieferänderungen, unklare Weisungen der Behörden diskutiert hat, der kann sich schwer vorstellen, dass Ammann ab Juli «nur» noch Arzt sein wird. Die Pandemie, die Probleme bei deren Bewältigung, die Unzulänglichkeiten da und dort werden ihn weiter beschäftigen und umtreiben.

«Ich bin kein Freund von Halbbatzigem», antwortet Ammann auf die Frage nach seinem überraschenden Rücktritt als Fraktionschef. Es sei für ihn schlicht nicht mehr länger möglich gewesen, «beides richtig zu machen», Arztpraxis und Politik, die Belastung sei zeitlich wie mental ausserordentlich. «Ohne Pandemie hätte ich das Präsidium noch weiter ausgeübt.» Doch in einem Jahr wäre auch ohne Pandemie Schluss gewesen. Seine Partei wusste das, als der heute 67-Jährige vor einem Jahr an die Fraktionsspitze trat.

Ammann und Lippuner: Die beiden Erben Tinners

Nachfolger von Ammann als Fraktionspräsident wird der Grabser Treuhandunternehmer Christian Lippuner. Er war vor einem Jahr für den heutigen Regierungsrat Beat Tinner ins Kantonsparlament nachgerückt, nachdem er diesen als Wahlkampfleiter erfolgreich in die Pfalz geführt hatte. Ammann wiederum hatte Tinner als Fraktionschef abgelöst – und nun übernimmt Lippuner von Ammann das Amt als Fraktionschef.

Doch nun soll vorerst Schluss sein mit schnellen Rochaden. Es sei bewusst eine längerfristige Lösung für die Fraktionsspitze gesucht worden, heisst es aus Parteikreisen. Lippuner ist 48, dreifacher Familienvater, führt in Buchs ein Treuhandbüro mit 15 Mitarbeitenden und leitet die Regionalpartei Werdenberg. Er sitzt gern aufs Velo, schnallt sich im Winter die Skis an und singt im Männerchor Grabs. Ob er trotz coronabedingtem Probenausfall den richtigen Ton trifft, wird sich demnächst zeigen. Die neue Aufgabe sei gewiss anspruchsvoll, sagt Lippuner auf den raschen Aufstieg zum Fraktionspräsidenten angesprochen. Er sei motiviert, diese Herausforderung anzunehmen. Lippuner habe sich in der Fraktion durch «präzise Arbeit, grosses Engagement und ausgezeichnete Integrationsfähigkeit» hervorgetan, lobt ihn seine Partei.

Lippuner und Tinner haben neben ihrer Werdenberger Herkunft noch etwas gemeinsam: Beide durchbrechen die Ärztetradition. Die FDP hat ihre Fraktion jahrelang Medizinern anvertraut (Thomas Ammann, Reinhard Rüesch, Andreas Hartmann). Für Ammann rückt der Stadtsanktgaller Oskar Seger ins Kantonsparlament nach, Bauingenieur, Stadtparlamentarier und Präsident der Stadtpartei.

Beitrag aus dem "Tagblatt"

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