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St.Galler Stadtratswahlen: FDP-Kandidat Mathias Gabathuler tritt nochmals an, die CVP hat's nicht eilig und die Grünen liebäugeln mit einer eigenen Kandidatur

St.Galler Stadtratswahlen: FDP-Kandidat Mathias Gabathuler tritt nochmals an, die CVP hat's nicht eilig und die Grünen liebäugeln mit einer eigenen Kandidatur

Wie erwartet tritt der Freisinnige Mathias Gabathuler auch im zweiten Wahlgang als Kandidat für Stadtpräsidium und Stadtrat an. An der Medienkonferenz machte die FDP-Spitze keinen Hehl daraus, dass sie einen Rückzug der CVP und ihrer Kandidatin begrüssen würde. Derweil mehren sich Gerüchte über eine Kandidatur der Grünen.

Treffpunkt Rathaus, 10 Uhr morgens. Mitten im regen Vormittagsverkehr stehen Mathias Gabathuler und Oskar Seger. Der Kandidat und der Parteipräsident verkünden vor den Medien, was ohnehin seit Sonntagnachmittag so gut wie klar war: Die Freisinnigen treten mit Mathias Gabathuler im zweiten Wahlgang nochmals an – und zwar sowohl fürs Stadtpräsidium als auch für den letzten offenen Sitz im Stadtrat.

Gabathuler erzielte im ersten Wahlgang am Sonntag in beiden Rennen gute Resultate. Im Kampf um das Stadtpräsidium überflügelte der Rektor der Kantonsschule am Brühl mit 7437 Stimmen Schuldirektor Markus Buschor (4854 Stimmen) und kam der Favoritin, SP-Baudirektorin Maria Pappa, gefährlich nahe. Die Sozialdemokratin hatte im ersten Wahlgang 9116 Stimmen auf sich vereinen können. Bei den Stadtratswahlen belegte Gabathuler mit dem fünften Platz den besten der Nichtgewählten, verpasste das Mehr mit 10'889 Stimmen nur knapp.

Er musste eine Nacht darüber schlafen

Keine Überraschung also, dass Gabathuler nochmals kandidiert und für die Bekanntgabe gleich schon mal den Einzug ins Rathaus probt. Symbolträchtig tritt er aus dem Foyer, dreht fürs Fernsehen einige Runden auf seinem «Gaba»-Mobil. «Eine Nacht darüber schlafen musste ich trotzdem», sagt er später im Gespräch. Schliesslich haber er eine Mittelschule zu führen – in Coronazeiten sei dies noch herausfordernder als sonst. Aber: Nicht nur seine Kollegen im Rektorat, auch seine Familie und die Partei ständen hinter ihm. Die vielen positiven Rückmeldungen – auch aus der Kultur und von links der Mitte – seien ihm zusätzlicher Ansporn gewesen, sich auch im zweiten Wahlgang zur Verfügung zu stellen.

Gabathuler wäre es wohl lieber gewesen, hätte er zu seinem Wahlkampfauftakt nur Fragen zu seinen Inhalten beantworten dürfen. Stattdessen drehen sich in diesen Tagen die meisten Fragen um Taktierereien: Was macht die CVP? Tritt Trudy Cozzio nochmals an? Und was bedeutet das für den zweiten Wahlgang am 29. November? Der Kandidat gibt sich gelassen, sagt wie sein Parteipräsident Oskar Seger, die CVP solle das in aller Ruhe entscheiden.

«Wir würden uns aber freuen, wenn die CVP uns unterstützt.»

Gerade mit Blick auf das bürgerliche Bündnis zwischen FDP, CVP und SVP, das vor dem ersten Wahlgang geschlossen wurde, birgt die Entscheidung der CVP Zündstoff.

Von Wartebänkli bis Mammutprojekten

Er hingegen, sagt Gabathuler, wolle sich voll auf seine Kandidatur konzentrieren. «Mein Fokus liegt darauf, mich noch bekannter zu machen und weiterhin den Dialog mit der Bevölkerung zu suchen.» Das heisst: Auch in den kommenden Wochen um sechs Uhr morgens am Bahnhof Winkeln und spätabends im Grossacker zu stehen. Im Gespräch mit der Bevölkerung kämen von Sitzbänken an Bushaltestellen bis Innovationspark in der Empa das ganze Spektrum an Themen zum Vorschein. «Man spürt, was die Menschen in dieser Stadt beschäftigt.»

Mathias Gabathuler will im zweiten Wahlgang auch seine Positionen noch klarer zum Ausdruck bringen, wie er sagt. «Wir haben einen Fachkräftemangel, wir müssen in der Bildung die Pferdestärken besser auf den Boden bringen und wir müssen grossen Projekten wie der Gesamtüberdeckung St.Fiden eine Chance geben.» Das ergebe einen Teppich für die Zukunft, der es der Stadt erlaube, zu wachsen und sich zu entwickeln.

Am liebsten wären ihm die Finanzen

Hat Gabathuler vor seiner Entscheidung, sich auch im zweiten Wahlgang zur Verfügung zu stellen, mit Stadtpräsident Thomas Scheitlin gesprochen? «Wir sind Parteifreunde und tauschen uns nur schon deshalb aus. Das Resultat vom Sonntag war aber klar.» Hat der Freisinnige eine Direktion, die er im Fall seiner Wahl am liebsten übernehmen würde?

«Ja, Inneres und Finanzen. Weil diese Direktion traditionell dem Stadtpräsidium angegliedert ist.»

Das sei auch sinnvoll, denn die Finanzen seien ein Querschnittsthema. Was sagt Gabathuler zur Ankündigung Maria Pappas, im Fall ihrer Wahl sich auch einen Verbleib in der Baudirektion vorstellen zu können? «Das scheint mir vermessen. Im Stadtpräsidium muss man auch Zeit haben, über die Stadtgrenze hinaus zu wirken und zu repräsentieren.» Der zweite Wahlgang ist damit, auf den Tag genau zwei Monate vor der Wahl, lanciert.

CVP hat es nicht eilig

Mit der eilig verkündeten Kandidatur Mathias Gabathulers für Stadtrat und Stadtpräsidium wird der Druck auf die CVP weiter erhöht. Die grosse Frage: Tritt Trudy Cozzio nochmals zur Stadtratswahl an? Die Christdemokratin hat im ersten Wahlgang knapp 1000 Stimmen weniger geholt als Gabathuler. Und damit der Freisinnige Stadtpräsident werden kann, muss er zunächst in den Stadtrat gewählt werden. Zwischen den Zeilen liess die FDP-Parteispitze denn auch verlauten, dass ein Verzicht der CVP ihr sehr willkommen wäre.

Auf Anfrage sagt CVP-Stadtparteipräsident Raphael Widmer am Dienstag: «Wir sind noch nicht weiter.» Es gebe keinen Grund zur Eile, zumal die Einreichefrist für Kandidaturen erst am 15. Oktober ablaufe. Widmer weiter:

«Ich kann die Haltung der FDP gut nachvollziehen. Wir sind aber trotz bürgerlichem Bündnis eine eigenständige Partei und müssen schauen, was für uns am besten ist.»

Der Entscheid falle entweder noch diese Woche, oder aber kurz vor Fristablauf in zwei Wochen.

Öffnet sich die Tür für eine linksgrüne Kandidatur?

Tritt Trudy Cozzio im zweiten Wahlgang wieder an, eröffnet das mehrere Szenarien. Gut wäre das vor allem für das linksgrüne Lager. Der Kampf ums Stadtpräsidium verkäme zum Nebenschauplatz, alle Augen wären auf das Rennen um den letzten verbleibenden Stadtratssitz gerichtet. Maria Pappas ohnehin gute Chancen, als erste Stadtpräsidentin überhaupt gewählt zu werden, würden somit noch mehr steigen.

Ausserdem mehren sich Gerüchte, wonach vor allem die Grünen für den Fall zweier bürgerlicher Kandidaturen mit einer eigenen Kandidatur liebäugeln. Franziska Ryser, Nationalrätin und Co-Präsidentin der Grünen Stadt St.Gallen, will sich auf Anfrage nicht dazu äussern. Nur so viel: «Am Dienstagabend findet eine Sitzung mit der Parteileitung statt.»

Peter Olibet, Präsident der SP-Stadtpartei, sagt auf Anfrage, man beobachte die Situation. «Der Stadtrat ist nicht linksgrün», sagt er in Anspielung auf eine potenzielle Kandidatur der Grünen. Falls die Grünen im zweiten Wahlgang nicht antreten würden, Trudy Cozzio aber schon, dann würde man die Lage neu beurteilen. «Es ist aber klar, dass uns Cozzio politisch näher steht als Gabathuler – und dazu eine Frau ist.» Die Perspektive einer Frauenmehrheit in der städtischen Exekutive dürfte für viele Wählerinnen und Wähler links der Mitte verlockend sein.

St. Galler Tagblatt vom 29.09.2020

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