Mit einem Rückkommensantrag will die SVP am Montag in der Wintersession des Kantonsrats den zusätzlichen Finanzausgleich für die Zentrumslasten der Stadt St.Gallen streichen. Der Zustupf von 14,8 Millionen Franken in den nächsten vier Jahren – jährlich 3,7 Millionen – sei angesichts der Vorteile der Kantonshauptstadt nicht gerechtfertigt, meint die Partei. Sollte ihr Rückkommens- und folglich der Streichungsantrag nicht durchkommen, droht die SVP mit dem Ratsreferendum. Die dafür erforderlichen vierzig Stimmen würde sie aufgrund ihrer 42 Ratssitze aus eigener Kraft schaffen.
Mit ihrer Ablehnung war die SVP in der ersten Lesung in der Septembersession nicht allein gewesen: Ihren Streichungsantrag unterstützten damals zehn der neunzehn FDP-Ratsmitglieder, darunter Parteipräsident Raphael Frei, der Rapperswiler Stadtpräsident Martin Stöckling oder der künftige Bad Ragazer Gemeindepräsident Jens Jäger. Der Antrag scheiterte denn auch nur knapp mit 52:57 Stimmen.
«Ganz grosse Mehrheit» der FDP will Resultat akzeptieren
Rückenwind verspürte die SVP aus den anderen bürgerlichen Parteien, die mit Kritik am Regierungsvorschlag nicht zurückhielten. Trotz allem Murren lehnte die Mehrheit den Streichungsantrag allerdings ab, genauso wie die gesamte Mitte-EVP-Fraktion (wenn auch mit sechs Enthaltungen) sowie fast die Hälfte der FDP, darunter Fraktionschef Christian Lippuner, die Stadtsanktgaller Felix Keller, Isabel Schorer und Oskar Seger oder der Rorschacher Stadtpräsident Robert Raths.
Diese knappe Mehrheit für den Regierungsvorschlag dürfte Bestand haben. In der zweiten Lesung sei das Abstimmungsverhalten anders anzusehen als in der ersten, sagt Fraktionschef Christian Lippuner. Die SVP müsse zunächst einen Rückkommensantrag stellen, um ihren Antrag auf Streichung des jährlichen Zustupfs einbringen zu können. «Bei einem Rückkommen darf man sich fragen, welche neuen Erkenntnisse eingetroffen sind, die einen solchen Antrag rechtfertigen würden», meint Lippuner. «Uns sind keine solchen bekannt.» Demnach dürfte «die ganz grosse Mehrheit unserer Fraktion das Abstimmungsresultat aus der ersten Lesung akzeptieren und einen Rückkommensantrag ablehnen», sagt der Fraktionschef.
«Chancen und Gelder ausser Acht gelassen»
Lippuner gehörte in der Debatte im September zu den schärfsten Kritikern des zusätzlichen Finanzausgleichs für die Stadt (auch wenn er letztlich dafür stimmte). Ihn stört nach wie vor die «defizitorientierte Opferhaltung» und die Schlagseite der Ecoplon-Studie, die einen «extrem einseitigen Blick auf die Zentrumslasten wirft und die Chancen und den Mittelfluss kantonaler Gelder in die Hauptstadt fast vollständig ausser Acht lässt». Doch werde er den Rückkommensantrag der SVP ablehnen. «Ich habe meine Kritik an der einseitigen Optik deutlich formuliert und gehe davon aus, dass die kritischen ausserstädtischen Voten in der Hauptstadt zur Kenntnis genommen wurden.»
Nun stehe er hinter dem gefundenen Kompromiss, meint er und betont: «Eine gezielte Bewirtschaftung eines Stadt-Land-Grabens ist sicher nicht im Sinne des Freisinns.» Bei aller berechtigten Kritik müsse man das Gesamtverhältnis im Blick haben: hier die zusätzlichen 3,7 Millionen für die Stadt St.Gallen, befristet für die nächsten vier Jahre, dort das Gesamtbudget 2025 für den Finanzausgleich an sämtliche Gemeinden von 233 Millionen Franken.
SP kritisiert SVP und appelliert an Zusammenhalt
Scharf kritisiert die SP das Ansinnen der SVP. Statt die zentralen Leistungen der Kantonshauptstadt anzuerkennen, versuche die SVP, «die Bevölkerung im Kanton zu spalten und mit Drohungen ihre Forderungen durchzusetzen», heisst es in einer Stellungnahme. «Dieses Verhalten gefährdet den Zusammenhalt des Kantons und blockiert den konstruktiven Dialog.» Die Rhetorik der SVP schüre «bewusst Konflikte» und lenke von den eigentlichen Herausforderungen ab. Die SP ruft alle Parteien im Kantonsrat auf, «sich nicht von der spalterischen und unsolidarischen Strategie der SVP beeinflussen zu lassen», heisst es weiter. Der Kanton St.Gallen könne nur dann im interkantonalen und internationalen Wettbewerb bestehen, wenn Stadt und Land Hand in Hand arbeiteten.
Aktuell
Umstrittene Zentrumslasten der Stadt St.Gallen im Kantonsrat: SVP kann nicht mehr mit der FDP rechnen

Die SVP will den zusätzlichen Finanzausgleich für die Kantonshauptstadt auch in der zweiten Lesung streichen. Für ihren Rückkommensantrag dürfte sie aber keine Mehrheit finden.