Noch zehn Tage bis zum St.Galler Fest, einem Höhepunkt im städtischen Veranstaltungskalender. Dann verwandelt sich die Stadt für ein Wochenende in einen gigantischen Festsaal unter freiem Himmel.
Er zieht nicht nur St.Gallerinnen und St.Galler an, sondern auch Partyfreudige und Barbetreiber von ausserhalb. Der FC Steinach etwa bessert mit einer Bar vor dem ehemaligen «Zollibolli» beim Bärenplatz die Vereinskasse auf und wirbt für sich. Der Verein ist schon seit über 20 Jahren dabei. «Wir brauchen zwei trockene Tage, um Gewinn zu erzielen. Mit nur einem Schönwettertag resultiert eine Null», sagt Wolfgang Steiger, Präsident des FC Steinach.
Steiger freut sich auf das St.Galler Fest, auf die gute Stimmung und darauf, alte Bekannte zu treffen. «Wir sitzen diesmal aber auch auf Nadeln», sagt er. Der Grund für die Aufgeregtheit: Nachdem Jugendliche vergangenes Jahr «ausserordentlich» oft an Bier, Alcopops und Hochprozentiges gelangt sind, wie Testkäufe der Stiftung Suchthilfe ergaben, haben die Veranstalter des Grossanlasses die Massnahmen gegen Fehlbare verschärft. Barbetreiber, die zweimal Alkohol an Minderjährige verkaufen, müssen ihren Stand schliessen.
FC Steinach: «Das ist kein Miteinander mehr»
Es sei wichtig, die Mitarbeitenden an den Ständen für das Thema zu sensibilisieren, stimmt Steiger vom FC Steinach den Veranstaltern und der Stiftung Suchthilfe zu. Er unterstütze die Testkäufe als Prävention. Nur: «Obwohl die Standmiete und Einkaufspreise immer weiter steigen, schiebt man die ganze Verantwortung für das gesellschaftliche Problem an die Standbetreiber ab. Das stört mich», sagt der Präsident des FC Steinach. Steiger fordert, dass man «auch die Jugendlichen in die Pflicht nehmen» müsste. Er bezeichnet den aktuellen Lösungsansatz als «falsch». «Das ist kein Miteinander mehr.»
Die aktive zweite Mannschaft des Vereins organisiert den Auftritt am St.Galler Fest. «Es ist ein eingespieltes Team. Ich vertraue ihm vollkommen», sagt Steiger. Das Barpersonal habe vergangenes Jahr beide jugendlichen Testkäufer erkannt und entlarvt. Beim FC Steinach stehen jeweils fünf bis sechs Freiwillige gleichzeitig hinter der Bar, gerade zu Spitzenzeiten am Freitag- und Samstagabend. Man erhöhe das personelle Aufgebot trotz verschärfter Massnahmen nicht. Eine Person sei nur dafür verantwortlich, das Alter der Bestellenden zu überprüfen, sagt Steiger. Ausserdem sei stets ein Mitglied des FC-Organisationskomitees vor Ort.
Die Mitarbeitenden würden wiederum an der von der Polizei und der Suchthilfe angebotenen Schulung teilnehmen und die zur Verfügung gestellte App als Prüfinstrument verwenden. «Auch wenn wir die Alterslimite der Konsumierenden sehr ernst nehmen, sind wir dennoch nicht vor Fehlern gefeit», sagt Steiger. Mancher 14-Jährige sehe heute nicht mehr aus wie ein 14-Jähriger und bei grossem Andrang stehe das Personal unter Stress.
Boxclub St.Gallen: «Das ist nichts Neues»
Mitglieder des Boxclubs St.Gallen werden am Stand der IG Sport im Einsatz stehen. «Dass Jugendliche versuchen, an Alkohol zu kommen, ist nichts Neues. Das ist an jedem Fest so, eigentlich sogar jedes Wochenende», sagt Géraldine Brot, Präsidentin des Boxclubs St.Gallen. Sie arbeite als Polizistin und wisse, wovon sie spreche.
Kein Grund zur Aufregung also, meint sie. «Wir werden unsere Helfenden wieder gut briefen und sie bitten, lieber einmal zu viel den Ausweis zu verlangen.» Trotz der angedrohten Barschliessungen habe der Boxclub St.Gallen problemlos genügend Personal gefunden. Man befestige Plakate und lege Merkzettel auf, auf denen die Jahrgänge vermerkt seien, ab denen Bier und Hochprozentiges erlaubt seien. «Damit die Helferinnen und Helfer im Stress nicht selber zurückrechnen müssen», sagt Brot.
Sie lasse sich die Vorfreude auf das St.Galler Fest wegen der strikteren Bestimmungen nicht verderben. «Nur um auf Nummer sicher zu gehen, kann man ja nicht alles einstampfen, das Freude bereitet», sagt sie.
FDP: Lieber einmal zu viel kontrollieren
Neben Sportvereinen und Gastronomiebetrieben tragen politische Parteien zur Vielfalt des kulinarischen Angebots am St.Galler Fest bei. Seit Jahren zum Beispiel auch die FDP. Jungfreisinnige und ältere FDP-Mitglieder, Kandidierende und Nichtkandidierende werden an der Bar bedienen.
Es sei Sache der Barbetreibenden, zu verhindern, dass Minderjährige zu Alkohol kommen würden, sagt Oskar Seger, Präsident der FDP der Stadt St.Gallen. «Die Veranstalter des Grossanlasses können diese Verantwortung nicht selber übernehmen. Sie ist Sache jener, die Getränke verkaufen.»
Die Partei habe die Alterslimite bisher stets konsequent beachtet. «Wir werden unser Personal aber erneut darauf hinweisen und es auffordern, im Zweifelsfall den Ausweis zu verlangen.» Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig, meint Seger. «Auch wenn wir damit riskieren, Kundinnen und Kunden zu verärgern.» Schliesslich handle es sich bei den Helfenden nicht um geübte Gastronomen. «Wir sind bereit für Zweifelsfälle.»
SVP: Warum kein Bändelsystem?
Zum ersten Mal seit langer Zeit ist die SVP im Wahljahr wieder mit einer Bar vertreten. «Es gibt nun mal Regeln und die hat man einzuhalten, gerade wenn es um den Jugendschutz geht», kommentiert Parteipräsident Donat Kuratli die strikteren Auflagen. Er sei selber Vater von zwei Jugendlichen und wisse, wie sinnvoll diese Bestimmungen seien.
Die SVP setzt ebenfalls Freiwillige und nicht professionelles Personal ein. «Wir werden es darauf trimmen, dass es strikt auf das Alter der Konsumierenden achtet. Jeder ist in der Pflicht.» Die Testkäufe müssten jedoch fair ablaufen und dürften nicht Fehler provozieren, das wäre «heikel», sagt Kuratli.
Das St.Galler Fest könnte den Barbetreibern ja auch entgegenkommen und ein Bändelsystem einführen, regt der Parteipräsident an. «In jeder Ferienanlage tragen Minderjährige eine andere Farbe am Handgelenk als Erwachsene. Das würde den Vereinen die Arbeit erleichtern.»
Fussballclub überdenkt Teilnahme
Am Freitagmorgen in einer Woche werden Mitglieder des FC Steinach den Firmenwagen von Präsident Wolfgang Steiger ausleihen und das nötige Material zum Standplatz in der St.Galler Marktgasse transportieren. Über 2000 Franken bezahle der Fussballclub für die Standmiete, sagt Steiger. Hinzu kommen die Kosten für Getränke, die der FC beim Festveranstalter beziehen müsse. Die Preise seien erheblich höher als beim Einkauf fürs eigene Clublokal.
Man investiere viel Aufwand, Stunden und Herzblut, der finanzielle Gewinn stehe nicht im Verhältnis dazu. «Stellen Sie sich vor, wir müssten am Samstagabend wegen eines nicht bemerkten Testkaufes den Stand schliessen. Das wäre ein Super-GAU und alle würden mit dem Finger auf unseren Verein zeigen.» Nur ein weiterer Punkt, der Wolfgang Steiger veranlasst, die weitere Teilnahme am St.Galler Fest zu überdenken. «Es ist nicht sicher, dass wir nächstes Jahr noch dabei sind.»
Aktuell
«Das ist kein Miteinander mehr»: Misstöne vor St.Galler Fest wegen Alkoholausschank an Jugendliche
Am 20. St.Galler Fest droht Barbetreibern die Schliessung, wenn sie zweimal Alkohol an Jugendliche verkaufen. Einige Vereine bleiben gelassen, andere halten wenig von der Verschärfung. Und die SVP empfiehlt dem Festveranstalter, ein Bändelsystem einzuführen, um die Vereine zu unterstützen.