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«Eigenverantwortung können sich nur Gutbetuchte leisten»: St.Galler Ständeratskandidierende streiten über Rezepte gegen die Prämienexplosion

«Eigenverantwortung können sich nur Gutbetuchte leisten»: St.Galler Ständeratskandidierende streiten über Rezepte gegen die Prämienexplosion

Im zweiten TVO-Talk zur St.Galler Ständeratswahl trifft Amtsinhaberin Esther Friedli (SVP) auf ihre Herausforderer Stefan Hubschmid (Parteifrei SG), Arber Bullakaj (SP) und Oskar Seger (FDP).

Die Krankenkassenprämien explodieren, die Strompreise und Mieten steigen, die Lebensmittel werden teurer. Für Menschen mit tiefen Einkommen ist die Teuerung im Portemonnaie schmerzlich spürbar. Und was wollen die St.Galler Ständeratskandidierenden dagegen unternehmen?

Diese Frage stand im Zentrum der TVO-Talksendung «Zur Sache Spezial», in der am Mittwochabend Stefan Hubschmid (Parteifrei SG), Arber Bullakaj (SP), Esther Friedli (SVP) und Oskar Seger (FDP) unter der Leitung von TVO-Chefredaktor Dumeni Casaulta diskutierten.

Seger fordert «dynamische Entwicklung der Selbstbehalte»

Einen «riesigen Kostentreiber» ortet Oskar Seger bei den Krankenkassenprämien. Es gebe immer noch zu viele Spitäler in der Schweiz, und die Leistungserbringer müssten nun in vereinfachte digitalisierte Prozess investieren. Andererseits fordert Seger eine «dynamische Entwicklung der Selbstbehalte» und appelliert an die Eigenverantwortung der Versicherten.

Arber Bullakaj kontert: «Eigenverantwortung können sich eigentlich nur Gutbetuchte leisten.» Die Forderung komme vor allem von den Besserverdienenden. Die Politik müsse sich jetzt um die Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen kümmern. Deshalb brauche es einerseits garantierte Mindestlöhne und andererseits müsse man die Kosten senken. So seien in den vergangenen Jahren die Hypothekenzinsen gesunken, gleichzeitig aber die Mieten massiv gestiegen.

Stefan Hubschmid: «Unser System ist völlig krank»

«Weniger Regulierung, weniger Bürokratie», fordert Ständerätin Esther Friedli für das Gesundheitswesen. Der Patient müsse wieder im Zentrum stehen. Ausgerechnet die Pflegenden verbrächten heute ihre Zeit hauptsächlich im Büro, weil sie alles aufschreiben müssten. Handlungsbedarf sieht Friedli auch bei den Medikamentenpreisen und wünscht sich mehr überkantonale Zusammenarbeit bei der Spitalplanung.

Wesentlich grundsätzlicher wird Stefan Hubschmid, der mit einer Volksinitiative das Ende der «besitzbasierten Geldwirtschaft» fordert. Nach einer Kritik am Finanzsystem («Das ist völlig krank») präsentiert er auch einen praktischen Lösungsansatz. So schlägt Hubschmid vor, bei der Krankenversicherung nur eine rudimentäre Grundversorgung zur Pflicht zu machen. Jeder könne dann einzelne Module dazu buchen. «Das Problem ist, dass in der obligatorischen Krankenversicherung die Schulmedizin automatisch drin ist.»

Friedli wehrt sich gegen «Umerziehung»

Beim Thema Energie steuert die Debatte auf ihren Höhepunkt zu. Die Schweiz leiste schon heute sehr viel für den Klimaschutz, sagt Esther Friedli und wiederholt einem Satz aus ihrem Standardrepertoire: «Wir müssen aufhören, die Leute über Verbote umzuerziehen.» Stattdessen solle man die Eigenverantwortung stärken und die Menschen mitnehmen.

Für Arber Bullakaj hingegen überwiegt die Enttäuschung über den grossen Rückstand. «Die Schweiz hat zu spät angefangen.» Erst als die Klimabewegung so stark geworden sei, habe die rechte Seite der Politik erkannt, dass sie reagieren müsse. In den vergangenen Legislatur habe man ökologische Erfolge erzielen können. Diese gelte es nun zu verteidigen.

Die Atomkraft als Glaubensfrage

Stefan Hubschmid findet keinen der bisher gehörten Lösungsansätze überzeugend und will möglichst viel Wald anpflanzen und damit auch die Artenvielfalt fördern. Zudem müsse man endlich das Problem der Obsoleszenz angehen, so Hubschmid. Um meint damit den Vorwurf, dass Hersteller die Lebensdauer ihrer Geräte absichtlich verkürzen.

Derweil findet Oskar Seger, dass nachhaltige Produkte nicht etwa vom Staat kämen, sondern von der Wirtschaft entwickelt würden. «Wir sollten einfach ein bisschen weniger Polemik betreiben und mehr Strom produzieren.» Dazu müsse man auf Innovation setzen und für alle Technologien offen sein.

Womit die grosse Glaubensfrage lanciert ist: Kernenergie ja oder nein? Man werde nicht darum herumkommen, über Kernkraftwerke der neuen Generation zu diskutieren, so Seger und Friedli. Die SVP-Ständerätin doppelt nach: «Wir betreiben zurzeit eine unehrliche Politik». Denn die Schweiz sei abhängig von Atomstrom aus Frankreich und Kohlestrom aus Deutschland. Dem widerspricht Arber Bullakaj vehement: «Auch beim Uran sind wir von Importen abhängig.» Zudem berge die Atomenergie grosse Risiken für kommenden Generationen.

Beitrag aus Tagblatt

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