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Von herber Kritik an den SBB bis zu «hinausgeworfenem» Geld: Verbände üben Kritik am Deckel für den Bahnhof St.Fiden

Von herber Kritik an den SBB bis zu «hinausgeworfenem» Geld: Verbände üben Kritik am Deckel für den Bahnhof St.Fiden

Die SBB geraten unter die Räder. Weil die Bundesbahnen abwinken, kann allenfalls nur ein «halber» Deckel über das Bahnhofsareal in St.Fiden geplant werden. Pro Bahn kritisiert aber auch den Stadtrat.

Quartierverein: «Grosse Chance verpasst»

Sandra Steinemann, die Vizepräsidentin des Quartiervereins Nordost-Heiligkreuz, antwortet kurz und knapp auf die Medienanfrage:

«Schade, eine grosse Chance, sich als Stadt St.Gallen weiterzuentwickeln, wird verpasst!»

Am vergangenen Donnerstag hat Baudirektor Markus Buschor die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zur Überdeckung des Bahnhofsareals in St.Fiden vorgestellt. Die Vision, die seit Jahren verschiedentlich geprüft wurde: Die Autobahn, die Gleise und das nördlich an den Bahnhof St.Fiden angrenzende Areal Bach bis zur Migros hin soll zugedeckt und bebaut werden. Ein neuer Stadtteil entstünde.

Doch aus all dem wird nichts. Obwohl eine vertiefte Machbarkeitsstudie ergeben hat, dass die Gesamtüberdeckung technisch, wirtschaftlich und städtebaulich machbar ist, muss die Vision wohl beerdigt werden. Denn die SBB machen nicht mehr mit. Die Bundesbahnen haben ihre eigenen Pläne auf dem Areal – und die wären durch die Gesamtüberdeckung in Frage gestellt worden. Die Einschränkungen im Bahnbetrieb wären zu gross. Pläne für eine Teilüberdeckung wollen die SBB aber zusammen mit der Stadt genauer anschauen.

Wirtschaftsverband: «Standort ist attraktiv»

Wirtschaft Region St.Gallen (WISG) bedauert, dass beim Entwicklungsprojekt fürs Bahnareal St.Fiden «der grosse Wurf mit einer Überdeckung der Gleise» nicht gelingt. Bitter sei dies, weil das Vorhaben machbar wäre – wie die Studie aufgezeigt hatte. Die Stadt verpasse so eine einmalige Chance, als Standort für Wohnen und Arbeiten attraktiver zu werden, heisst es in einer Mitteilung vom Freitag.

WISG-Geschäftsführer Roger Tinner schreibt darin, er begrüsse ausdrücklich, dass die Stadt die Entwicklungsplanung für das Gebiet St. Fiden-Heiligkreuz weiterführen will. So könne doch immerhin eine Teilüberdeckung von Gleisfeld und Autobahn möglich werden. Die Forderung der Investoren, dass ein solches Projekt nicht zu «schmörzelig» ausfallen darf, sondern visionär bleiben soll, wird vom Wirtschaftsverband unterstützt.

Der Standort an sich bleibe «dank seiner Lage, ÖV-Erschliessung und Spitalnähe äusserst attraktiv». Wirtschaft Region St.Gallen habe zu den ersten Unterstützern der Vision «Stadt über den Geleisen» mit einer grossflächigen Überdeckung des Bahnhofs St.Fiden gehört. Dass aufgrund der Haltung der SBB mit eigenen Ausbauplänen und fehlender Etappierung dieser grosse Wurf nun nicht zu Stande komme, bedauert Tinner daher ausserordentlich. Über den Gleisen hätte nämlich ein neuer Stadtteil mit gemischter Nutzung entstehen können. Dies erst noch frei von Immissionen durch ÖV und privaten Verkehr.

TCS: «SBB verkennen die Bedeutung des Standorts»

Ähnlich äussert sich Oskar Seger, Mitglied des Präsidiums der TCS-Sektion St.Gallen-Appenzell Innerrhoden:

«Die Haltung der SBB ist wenig visionär und verkennt die Bedeutung des Standorts als Umsteigehub.»

Unten die Bahn, oben Busse und ein direkter Zugang zu den Olma-Hallen, das ist in Segers Augen denkbar. «Es wäre auch im Interesse der SBB, die sich in St.Fiden bietenden Möglichkeiten voll auszuschöpfen.» Der TCS setze sich für eine durchdachte Gesamtmobilität ein, sagt Seger. «Deshalb ist es für uns extrem wichtig, dass die Idee einer Teilüberdeckung weiterverfolgt wird und es weitergeht.»

VCS: «Ausgewogene Nutzung mit Grünräumen»

Beim VCS St.Gallen/Appenzell blickt man bereits weiter in die Zukunft: Auch VCS-Vertreterin Doris Königer betont, das mit dem ÖV bereits sehr gut erschlossene Gebiet habe Potenzial. «Aber es braucht eine ausgewogene Nutzung, welche auf die umliegenden Quartiere Rücksicht nimmt», sagt die SP-Stadtparlamentarierin und Architektin. Statt eine dichte Bebauung benötige es Grünraum und Platz für den Fuss- und Veloverkehr. «Ein intelligenter Ausgleich von Freiraum und Bebauung, von Ökonomie und Ökologie ermöglicht eine zukunftsgerichtete Smartcity.»

Eine «Teil-Einhausung» von Autobahn und Bahntrassee könne zudem ein grosses Stadtgebiet vom Autobahn- und Bahnlärm entlasten sowie die Querung zwischen den Quartieren verkürzen, so Königer.

«Der Weg muss nun aber zusammen mit der Bevölkerung angegangen werden – nicht nur mit einer Gruppe von Investoren.»

Pro Bahn: «Hinausgeworfenes Geld»

Fundamentale Kritik am Vorgehen der Stadt äussert Bruno Eberle von Pro Bahn Ostschweiz. Es sei für ihn ein Rätsel, weshalb der Stadtrat die Illusion der Investorengruppe finanziell mitgetragen habe. «Das ist hinausgeworfenes Geld.» Die SBB hätten schon vor der nun vorgelegten vertiefen Machbarkeitsstudie «null Interesse» am Vorhaben gezeigt.

«Die Überdeckung war von Anfang an chancenlos und wird nicht kommen.»

Eberle, der selbst im Quartier wohnt und St.Fiden als seinen Heimatbahnhof bezeichnet, lenkt den Fokus auf das Landstück zwischen Splügen- und Spinnereistrasse. Auf dem Land entlang der Bachstrasse bewirtschaftet die Stadt im westlichen Teil Parkplätze, der Ostteil wird durch die Zwischennutzung Areal Bach belegt.

2012 hatte die Stadt das 18'721 Quadratmeter grosse Grundstück für 14,6 Millionen Franken erworben. Beim Kauf machte die damalige St.Galler Stadträtin Elisabeth Beéry deutlich, dass das Gebiet für die Stadtentwicklung wichtig sei, und strebte eine «Mischnutzung» von Gewerbe und Wohnen an.

«Doch ausser ein paar gepflanzten Bäumen ist dort seit zehn Jahren nichts passiert», ärgert sich Eberle heute. «Die Stadt hat ein derart wertvolles Landstück an einer super Lage links liegenlassen und die Entwicklung verbummelt.»

Tagblatt vom 11.07.2022

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